Letzte Runde: Wirtshäusern auf dem Land droht das Aus
Rückblick und Ausblick: DEHOGA Saarland zieht bei Neujahrsempfang Bilanz
Saarbrücken. Der traditionelle Neujahrsempfang des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Saarland e.V. bot gleich zu Jahresbeginn die Gelegenheit zum intensiven Netzwerken. Bereits zum siebten Mal in Folge trafen sich am 14. Januar 2019 die saarländischen Gastronomen und Hoteliers im Spiegelpalais von Alexander Kunz Theatre in Saarbrücken. Rund 150 Gäste folgten der Einladung zum wichtigen Auftakttreffen des Interessenverbandes. Neben den zahlreichen Mitgliedern durfte der DEHOGA Saarland auch viele Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik willkommen heißen. Darunter war auch Jürgen Fried als Gastredner.
Der Oberbürgermeister der Kreisstadt Neunkirchen überbrachte in seiner Funktion als Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages seine Grußworte. Doch zuerst war DEHOGA-Präsidentin Gudrun Pink an der Reihe, die in ihrer Ansprache die vergangenen zwölf Monate Revue passieren ließ. Nach ihrer Retrospektive konstatierte sie: „Wir haben im vergangenen Jahr vieles bewegt und erreicht – und dabei sind wir auch neue Wege gegangen.“
Allerdings gab es auch schwer verdauliche Kost. Dauerthemen der Branche und Baustellen für 2019 bleiben weiterhin die Nachwuchssorgen in allen gastgewerblichen Ausbildungsberufen, die Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Wobei Gudrun Pink für 2019 einen Fokus setzen möchte: „Ein ganz wichtiges Thema für uns ist das Gast- und Wirtshaussterben im ländlichen Raum.“ Die allgemeinen Probleme der Gastronomie wirken sich auf dem Lande noch einmal viel stärker aus: Trotz guter Konjunktur und ordentlicher Gästenachfrage ist die Stimmung in den Betrieben kritisch. Der Mitarbeitermangel bringe viele Unternehmerfamilien an die Grenzen der Belastbarkeit. Steigende Kosten ließen die Erträge so stark schrumpfen, dass sich die anstrengende Arbeit oft nicht lohne. Zum Vergleich: Ein Vollhotel erzielt im Saarland einen durchschnittlichen Umsatz von rund 400.000 Euro im Jahr. Bei einem Gastronomiebetrieb sind es im Schnitt rund 210.000 Euro im Jahr – und rund ein Drittel haben sogar einen Umsatz von weniger als 100.000 Euro. Der mittlere kalkulatorische Unternehmerlohn liegt in Schankwirtschaften bei unter fünf Euro die Stunde. „So viel zum Mindestlohn für kleine Unternehmer“, meinte Pink spitzzüngig. Ergo ist es auch kein Wunder, dass im Saarland seit 2004 in der Gastronomie die Anzahl der Gewerbeabmeldungen diejenigen der Anmeldungen regelmäßig überschreitet.
Außerdem habe die Bürokratie ein Ausmaß angenommen, das kleine und insbesondere Familienbetriebe überfordere. So bezeichnete Pink die Datenschutzgrundverordnung als ein Gesetzesmonster, das Kleinbetriebe mit Konzernen auf eine Stufe stelle und einem Totalversagen des europäischen Gesetzgebers gleichkäme. Und dazu gesellten sich weitere unsägliche Dokumentationspflichten, die jedes Maß übersteigen würden. So müssen alle Allergene exakt aufgezeichnet werden. Auch sind die Arbeitszeiten penibel zu erfassen. Psychologische Gefährdungsbeurteilungen sind auszufüllen und Pommes-
Ampeln zu beachten. Und diese Liste der Gängelungen ist mit den Kassenrichtlinien lange nicht zu Ende. Um hier gegenzusteuern, brauche es Veränderungen in Bund und Land. „Ich wünsche mir, dass wir bald eine Kleinunternehmerregelung finden. So sollten etwa kleine Wirtshäuser je nach Umsatzgröße und Mitarbeiteranzahl von einigen Dokumentationspflichten freigestellt werden“, sagte die Chefin des Berufsverbandes.
Konkret sprach sich Pink für „mitwachsende“ Minijobs aus, also einer Dynamisierung der 450-Euro-Entgeltgrenze. Auch sollte die Betriebsnachfolge erleichtert werden. Konkreter Vorschlag hier: Die teuren Hürden im Baurecht oder beim Denkmalschutz ließen sich zeitlich strecken. Und warum muss eigentlich ein Betriebsnachfolger alle gesetzlichen Anforderungen an einem Stichtag erfüllen? Zudem griff die Verbandsvorsitzende eine Forderung auf, die aus Bayern kommt. So soll ein steuerfinanziertes bundesweites Förderprogramm umgesetzt werden, das die Gasthäuser im Rahmen einer „Gesamtstrategie Wohnen“ zu den förderfähigen Objekten zählt. Ein weiterer wichtiger Punkt wäre eine faire Steuerpolitik. Also ein einheitlicher, reduzierter Mehrwertsteuersatz für Speisen, der die krasse Benachteiligung der Sitzplatz-Gastronomie bei der Mehrwertsteuer beendet. Und nicht zu vergessen ist die Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten. Und hier liegt die Betonung klar darauf, dass es nicht um Mehrarbeit geht, sondern um eine bessere Verteilung der Arbeit.
Ein Dorn im Auge der Präsidentin ist die Handelsgastronomie, die immer stärker im Kommen ist. „Sie dient den großen Handelsriesen doch nur als Frequenzbringer“, betonte Pink. Bei diesen Big-Playern ist es verschmerzbar, dass nur 45 Prozent der von Lebensmittelhändlern betriebenen Gastronomie auch Profite erzielten – wie die Süddeutsche Zeitung am 4. Januar dieses Jahres berichtete. Dieses Durchhaltevermögen dank Subventionierung aus anderen Sparten können die kleinen Gastrobetriebe natürlich nicht aufbringen. Die Folge: „Auch in den Städten stellen wir fest, dass familiengeführte Betriebe immer mehr auf dem Rückmarsch sind. Deswegen rate ich allen, die in der Wirtschafts- und Tourismuspolitik unseres Landes Verantwortung tragen, diese Entwicklung sehr ernst zu nehmen. Der schönste Wanderweg und der beste Radweg nützen wenig, wenn es am Wegesrand kein geöffnetes Gasthaus mehr gibt. Erfolgreicher Tourismus braucht ein wirtschaftlich gesundes Gastgewerbe“, erläuterte Pink.
Gastredner Jürgen Fried unterstütze in seiner Ansprache diese Forderung, gegen das Wirtshaussterben vorzugehen. Auch er hat ein Verschwinden der Eckstübchen und Dorfkneipen bemerkt – und bedauert dies sehr. „Gasthäuser sind in unserer Gesellschaft ein wesentlicher Ort der Kommunikation“, machte Neunkirchens Rathauschef deutlich. Als Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages sagte er dem DEHOGA Gespräche zu, was die Kommunen zu diesem Thema beitragen können, um die Situation zu verbessern. Denn die Wirtshäuser sind ein Kulturgut, das es unbedingt zu bewahren gilt. Ohne sie droht ein Verlust an Lebensqualität und Zusammenhalt. Oder wie es die Katholische Universität im bayerischen Eichstätt in ihrer ausführlichen Studie zum Thema auf den Punkt brachte: „Wo die Wirtschaft stirbt, stirbt der Ort.“